Jetzt esch gnueg!
Liebe Freunde, Fans und alle die zu mir stehen, jetzt esch gnueg Heu donde!
Ich war im Zug, als mir die Tränen kamen. Ich dachte daran, dass ich seit 41 Jahren hier lebe, hier aufgewachsen, zur Schule gegangen bin, studiert, unterrichtet, gearbeitet habe, all meine Geburtstage hier gefeiert habe. Aber dass ich offenbar trotzdem noch immer nicht Schweizer genug bin. Und das Schlimme ist: Man kann selbst gar nichts dagegen machen. Es ist allein schon die „falsche“ Hautfarbe, die es dir verwehrt, als ein gleichberechtigter Teil dieser Gesellschaft wahrgenommen zu werden. Es ist ein Problem, das zu viele in diesem Land teilen und das jetzt – so unappetitlich es auch ist – auf den Tisch muss.
Es sind viele Beispiele zusammengekommen, das letzte und aktuellste aber, macht mich fassungslos. Dass ich bei so etwas Simplem, wie der Aktualisierung persönlicher Daten auf einer Bank plötzlich merken muss, dass ich offenbar eben kein gleichberechtigter Teil bin.
Ich musste letzte Woche persönlich bei einer Bank in meiner Heimat-Stadt Luzern vorbei, um mich dort vor Ort auszuweisen, damit sie meine persönlichen Daten und der meiner Freundin für ein bevorstehendes Geschäftskonto aktualisieren konnten. Meine Schwägerin, eine der zwei Partnerinnen, hatte ein paar Tage dazu zuvor bereits eine Sitzung in der gleichen Bankfiliale, ich sollte dort eigentlich nur kurz hin, um mich auszuweisen, damit das bereits vereinbarte umgesetzt werden konnte. Das war alles. Eine Kleinigkeit.
Ich wandte mich an den Info-Schalter, um mich zu erkundigen, wo ich diese Angelegenheit zu erledigen hatte. Der verwies mich wiederum an einen anderen Schalter hinter dem eine Bankangestellte ihre Arbeit verrichtete. Als ich von meinem Anliegen zu berichten begann, fragte sie mich ernsthaft, wer mich denn diesbezüglich zu ihr schickte. Ich antwortete freundlich: »Der Mann am Informationsschalter.» Nun wurde es unangenehm für mich.
Nicht nur, dass mein amtlich beglaubigter Führerschein kurzum von der besagten Dame nicht akzeptiert wurde, lieferte sie mir auch gleich eine haarsträubende Erklärung: «Es tönt jetzt e chli rassistisch, aber sie gshend ned us wiä en Schwiizer und ihre Name tönt au ned schwiizerisch!»
Die Dame hielt inzwischen meine Bankkarte in den Händen, auf der de facto auch mein Name darauf steht. «Ich bruche vo ihne e ID oder e Pass», fügte sie kritisch an. Ich bestand aber darauf, dass der Führerschein amtlich ist und meine Bankkarte von derselben Bank sei. Ob dies denn nicht genüge, fragte ich höflich. Ich hatte nur die ID meiner Freundin dabei, die zwar auch Geschäftspartnerin ist, aber aus gesundheitlichen Gründen zu Hause blieb. Die ID nutzte nichts, was mir aber verständlich war.
Ich musste einen Moment innehalten und meinen Unmut zur Seite packen. Denn wieso meine mehr als ausreichenden amtlichen Ausweisdokumente nicht ausreichten, damit ich bereits vereinbarte Änderungen eines Kontos, von dem ich Mitinhaber bin, vollziehen kann, ist mir ein großes Rätsel.
Aber weiter im Text: Die Dame rief dann den Bankberater an, der am ersten Termin teilgenommen hatte. Währenddessen kopierte sie ungefragt meinen Führerschein und ganz nebenbei auch noch die Identitätskarte meiner Freundin. Inzwischen brodelte es dann doch so in mir, dass ich mir nicht verkneifen konnte nachzuschieben, dass ich sehr wohl wie ein Schweizer aussehe und fragte die Dame dann, als sie ihren Anruf beendet hatte, ob denn ein amtlich beglaubigter Führerausweis bei einem noch mehr schweizerisch Aussehenden, mit einem noch mehr schweizerischen Namen denn gereicht hätte? Darauf sie: «Ich diskutiere ned mit ihne. Ich hole jetzt mi Vorgsezte!». Eigentlich hätte das mein nächster Satz sein sollen.
Ruckzuck stand der Vorgesetzte vor mir und bat mich, ihm in sein Büro zu folgen. Dort angekommen, sassen wir uns gegenüber und schauten uns an. Er sagte nichts, ich sagte nichts. Worauf er dann die skurrile Stille mit den Worten unterbrach: «Mir entschuldiged eus für de Fauxpas ond wärdet luege, dass so öpis nümme wird vorcho!».
Ich war verdutzt. Nein, ich war verblüfft. Wie in aller Welt war es möglich, dass der Vorgesetzte schon über die ganze Geschichte am Schalter im Bilde war?! Für was denn, wollte er sich entschuldigen, fragte ich mich? Mir dämmerte, dass es sich um eine Floskel handelte. Im Grunde genommen war es mir egal, wie inflationär er mit dieser Floskel umzugehen schien. Ich fragte dann: «Dann sollte einer Geschäftskontoeröffnung in diesem Fall ja nichts mehr im Wege stehen?». Dieser schien nun nicht mehr zu wissen, was er sagen sollte und sagte dementsprechend nichts.
Ich fügte an, dass mein Name sehr wohl ein Schweizer Name sein könnte. Auf rätoromanisch heisst „Bun“ nämlich „Gut“. Aber da kam nichts mehr. Auch auf meine Forderung, dass sich doch bitte die Schalterdame für ihr Äusserungen bei mir entschuldigen solle, sagte er auch nichts. NICHTS! Es war Zeit zu gehen.
Dieser Vorfall, ist nur der Gipfel eines riesigen Matterhorns voller solcher Vorfälle davor. Man kann nun denken, „das ist ja nicht so schlimm.“ Stimmt. Das ist es auch nicht. Es gibt viel Schlimmeres. Aber es ist die schiere Menge und die Konstanz solcher Vorfälle, denen ich und wohl jeder andere äußerlich nicht „typisch schweizerische“ Mensch ausgesetzt ist – in denen wir systematisch benachteiligt werden und das einfach hinnehmen müssen. Immer wieder. Tag für Tag.
Ich brauche keine Entschuldigungen mehr ohne Inhalt. Ich will, dass sich in unseren Köpfen etwas ändert. Und zwar jetzt und nicht erst morgen, wenn sich unsere Gesellschaft gespalten hat. Dafür liebe ich meine Heimat die Schweiz zu sehr!
Ich will, dass meine kleine Tochter einmal in der Kita lernt, was uns verbindet, anstatt darüber, was uns trennt. Ich will, dass mein Sohn, welcher heute seinen ersten Kindergartentag hatte, in einem Land aufwachsen darf, in dem es keinen Unterschied macht, ob jemand schwarz oder weiss oder grün ist.
Wir müssen dieses Problem in den Griff bekommen. Und bitte helft alle dabei mit. Es ist höchste Zeit!
Liebe Grüsse
Euer Mav